Die alte Welt strebt in die neue: Wieso Automobilhersteller das Web3 für sich entdecken

11. Januar 2023 | Märkte | Update: 12/01/2023

Long Story Short

Ford, Hyundai und BMW, drei Unternehmen aus der alten Verbrennerwelt machen sich auf ins neue Web3. Die Automobilmarken melden ihre Logos als Patent für das Multiverse an, entwickeln NFTs und virtuelle Welten, wobei sich das Engagement noch am Anfang befindet. Man fragt sich allerdings: Warum das Ganze?
Automobilhersteller Web3
Foto: Canva / Meckie / A. Salano

Viele Marken aus der Autowelt haben sich in den letzten Jahren nicht gerade als Innovationstreiber gezeigt. Vor allem die deutschen Unternehmen haben sich lange auf ihrem technologischen Vorsprung ausgeruht und mit einiger Arroganz auf andere Hersteller mit neuen Antriebskonzepten herab gelächelt.

Als Toyota anfangs der Neunziger mit dem Prius den massentaugliche Hybrid vorstellte, entwickelten Volkswagen und Mercedes lieber den damals einhundertjährigen Diesel weiter. Das Elektroauto mit Batterie, die Verbesserung der Brennstoffzelle überließen die deutschen Marken lieber anderen, um jetzt hektisch seit ein paar Jahren wieder Boden gut machen zu wollen. Und ausgerechnet diese Unternehmen möchten ins Multiverse vordringen und das revolutionäre Konzept der Dezentralität leben? Was versprechen sie sich davon?

Imageproblemen begegnen

Seit Jahren sind die Zahlen der Fahranfänger rückläufig. Sich dem Führerschein, erst recht dem Besitz des ersten eigenen Autos zu verweigern, liegt im Trend. Waren es 2010 noch 85,8 Prozent der 18- bis 24-Jährigen, die eine Fahrerlaubnis erwarben, sank diese Zahl im Jahr 2016 auf 81,9 Prozent und weiter 2019 auf 79,2 Prozent.

Das mag mit einem gesteigerten Umweltbewusstsein, dem schwindenden Interesse am Auto als Statussymbol, den damit verbundenen Kosten und mit der besser werdenden Mobilität durch den ÖPNV in den Städten zusammenhängen, Tatsache bleibt dieser bemerkenswerte Rückgang gerade bei dieser wichtigen Zielgruppe. Das Auto hat ein Imageproblem, wobei allerdings Hersteller wie Tesla in einschlägigen Untersuchungen als nachhaltig und innovativ, gerade von jüngeren Teilnehmern, bezeichnet werden. Hier liegt sicher eine der Wurzeln für das Engagement von BMW und Co. Junge Menschen gelten als digital affin und wo sollten die Hersteller den Dialog aufnehmen, wenn nicht im Netz bzw. im Web3?

Blockchain als Chance

Aber nicht nur die Kundenbeziehung, auch eine Vielzahl anderer Prozesse lassen sich mit Technologien aus dem Web3 auf ein neues Niveau heben. Dabei helfen Technologien wie dApps, Smart Contracts und eben die Blockchain als Grundlage für die Digitalisierung der nächsten Stufe. Beispiel Smart Contracts: die Automobilindustrie ist von einer Vielzahl unterschiedlicher Lieferketten abhängig. Bei jeder Supply Chain spielen eine Reihe von Variablen eine Rolle. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen, freie Transportwege und möglichst niedrige Kosten spielen da eine große Rolle.

Die Pandemie der letzten drei Jahre hat gezeigt, wie anfällig diese dynamischen Systeme sind. Also müssen die Risiken minimalisiert werden. Zentrale digitale Lösungen haben Nachteile; zwar sorgen auch sie für Transparenz bei Produktionsbedingungen oder Produktionsstände, sie schaffen jedoch eine einseitige Marktmacht - die des Betreibers - und bereiten Probleme hinsichtlich des Datenschutzes. Eine dezentral betriebene Infrastruktur vermeidet diese Probleme. Käufer und Lieferanten können gleichermaßen jederzeit auf die gleichen Daten verschlüsselt und anonymisiert zugreifen. Erledigt einer der Partner seine Aufgabe, ist der Effekt in Echtzeit sichtbar, eine neue Phase kann beginnen. Anfragen, Bestellungen und Nachfragen sind gleichermaßen für alle Beteiligten sicht- und nachvollziehbar.

Neue Vertriebswege erschließen

Bereits zu Zeiten des Second-Life-Universes hatten die großen Automarken Filialen in der digitalen Parallelwelt gegründet. Damals sorgten jedoch schlechte Übertragungsraten, Programmierfehler und eine schnell nachlassende Begeisterung der Zielgruppe für einen veritablen Flop. Welche Umstände lassen die Hersteller glauben, dass sich diesmal ihr Engagement im Multiverse auszahlt.

Da ist zunächst die verbesserte Infrastruktur. Selbst im digital-geriatrischen Deutschland geht der Glasfaserausbau voran, von der gesteigerten Rechenleistung von Desktop-Rechnern und Mobilgeräten mal ganz abgesehen. Dann stehen, wie bereits ausgeführt, neue Technologien rund um die Blockchain zur Verfügung. Der entscheidende Punkt ist aber ein anderer: Wenn die virtuelle ein Abbild der wirklichen Welt sein will, dann muss Mobilität ein zentraler Faktor dabei sein.

Hier kommen die eingangs erwähnten NFTs, virtuellen Kleidungsstücke und ersten virtuellen Welten, die BMW unlängst vorgestellt hat, ins Spiel. Auch Probefahrten per AR-Brille sind derzeit bereits möglich. Neben BMW bieten solche Spritztouren, bei denen sich der Kunde nicht vom Sofa erheben muss, Audi, Hyundai und Ferrari an. Das Autohaus des Jahres 2030 könnte also ein digitales sein, zumal die Marken sich damit den Umweg über die Vertragshändler und damit eine Menge Geld sparen.

Fazit: Dabei sein ist nicht alles, aber ohne Multiverse ist alles nichts

Neue Trends zu verpassen, ist für imagegetriebene Unternehmen wie Automobilhersteller gefährlich, zu früh aber auf nicht ausgereifte Technologien zu setzen, nicht minder. Im Fall des Multiverse allerdings stehen die Zeichen nicht schlecht, dass die digitale Welt das „nächste große Ding“ für die Automarken werden könnte.

Dazu sind beispielsweise die entsprechenden Technologien schon zu sehr in die Prozesse der Konzerne integriert. Der immense Imageboost, der vom Web3 ausgeht, wird sein Übriges tun. Aber auch die handfesten Vorteile, die „early Adopter“ genießen, wenn es um die Konkurrenz um die besten (Verkaufs-)Locations auf den Multiverse-Plattformen geht, wird den Run auf Blockchain und Co. befeuern. Nicht zuletzt werden die Controller der Unternehmer die große Kostenersparnis sehen, die sich aus dem virtuellen Autohaus ergibt.