Das (schlechte?) Image der Kryptos

8. Februar 2024 | Kryptos & Crime | Update: 08/02/2024

Long Story Short

Spätestens seit der Pleite diverser Player auf dem Kryptomarkt – stellvertretend sei die betrügerische FTX – Pleite genannt – ist das Image der digitalen Währungen stark angekratzt. Dazu kommen zahlreiche weitere Faktoren, die das Bild der Coins ins Negative verzerren. Dabei haben die Kryptos eine starke Fangemeinde. Werden die Schlagzeilen der letzten Monate dem Markt auf Dauer schaden?
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guaxipo | Pixabay

Auch wenn sich die Indizes in diesem Jahr einigermaßen beruhigt hat und unter anderem der Bitcoin vergleichsweise stabil dasteht, haben diverse Nachrichten in den vergangenen Monaten zu Irritationen geführt.

So mancher institutionelle oder private Anleger musste sich fragen, ob die dezentralen Währungen noch ein Versprechen auf die Zukunft enthalten. Verschiedene Faktoren tragen zur Verunsicherung bei. So wurde nach dem Angriff der Hamas schnell klar, dass die islamistische Terrororganisation Kryptos zur Finanzierung nutzt. Die israelischen Sicherheitsbehörden beschlagnahmten daraufhin mehrere Millionen USD in Coins, froren Konten und Wallets ein.

Diese Art der Finanzierung spielt auch in der staatlich sanktionierten Schattenwirtschaft Nordkoreas eine Rolle, der wichtigste Protagonist in diesem Spiel ist eine Hackergruppe namens Lazarus. Deren Hacks von Kryptobörsen sind für die Finanzierung des nordkoreanischen Staatshaushalts nicht unbedeutend. So hat die Gruppe bei diversen Einbrüchen Anfang September 2023 41 Millionen USD in Kryptos erbeutet.

Auch andere kriminelle Vereinigungen nutzen die Vorteile der Währungen. Natürlich unterstützen grenzüberschreitende Überweisungen in Echtzeit, die, weil pseudonymisiert, schwer nachzuverfolgen sind, kriminelle Machenschaften.

Die Stromfresser kommen

Ein weiterer Faktor des Negativimages ist der hohe Stromverbrauch diverser Blockchains. Zwar hatte Ethereum durch den Merge im September 2022, also die Umstellung von Proof-of-Work (PoW) zu Proof-of-Stake (PoS), einen bedeutenden Beitrag zum Energiesparen geleistet. Durch den Wechsel aufs Validieren der Blöcke spart Ethereum 99 Prozent der Energie im Vergleich zu Bitcoin, das jährlich 125 Terawattstunden verbraucht.

Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen, denn andere Rechnungen kommen zu deutlich geringeren Verbräuchen. So macht der Analyst Dan Hold von ARK Invest, einer US-amerikanischen Fondsgesellschaft, eine ganz andere Rechnung auf, nach der das Bitcoin-Mining jährlich 50,8 Terawattstunden an Energie verbrauche.

Wer den Blockchains pauschal Energieverschwendung vorwirft, übersieht auch den Fortschritt der Technologie. So verbraucht die grüne Währung Nano 0,000112 kWh pro Transaktion. Polkadot beispielsweise benötigt jährlich so viel Strom wie zehn durchschnittliche US-Haushalte, die ca. 10.000 kWh verbrauchen.

Sicher: Bitcoin hat einen enormen Energiehunger, der dem eines kleinen Staates entspricht. Aber der Blick auf die Leitwährung relativiert sich, wenn andere Vergleichsgrößen bemüht werden. Alle Wäschetrockner der Welt benötigen doppelt so viel, Kühlschränke zehnmal so viel Strom und Klimageräte rekordverdächtige 2000 Terawattstunden.

Außerdem ist weniger die Frage des reinen Verbrauchs relevant als die Quelle des Stroms. Sollte – theoretisch – die elektrische Energie bald aus Wind, Erdwärme oder Fotovoltaik stammen, schwächt das die Kritik deutlich ab.

Pleiten, Pech und Pannen

Von FTX haben wir auf unseren Seiten ausführlich berichtet und auch der Prozess gegen Sam Bankman-Fried wird uns weiter beschäftigen.

Das Jahr 2022 brachte weitere markerschütternde Katastrophen mit sich. Dazu gehörten insbesondere die Implosion von Terra (LUNA). Das Ökosystem hatte die Validierung dezentraler, algorithmische Stablecoins im Fokus. Nachdem es den Verantwortlichen nicht gelungen war, deren Wert stabil zu halten, ging der gesamte Kurs in den Keller. Auch der CEO und Gründer des Netzwerks, Do Kwon, muss sich wegen des Vorwurfs diverser Vergehen vor Gericht verantworten. Celsius schließlich, eine Plattform für Staking und der Kreditausgabe in Form von Coins, musste im vergangenen Jahr dem Bärenmarkt Tribut zollen und Insolvenz anmelden.

Drei Fälle, die neben den direkten Auswirkungen auf den Markt das Vertrauen der Anleger nachhaltig erschüttert haben.

Sicher weiß jeder Investor, dass er sich im Gegensatz zu konservativen Wertanlagen auf einem risikoreichen Markt befindet, der neben großen Gewinnen auch beispiellose Abstürze kennt. Er weiß auch, welche Faktoren diesen Markt weiterhin volatil halten. Jedoch haben die Bankman-Frieds und Do Kwons dieser Welt derart viel Porzellan zerschlagen, dass sich die Märkte erst langfristig erholen werden. In diesem Kontext müssen wir auch an die selbst ernannte Kryptoqueen Ruja Ignatova erinnern, die mit einem Schneeballsystem Millionen Investoren um ihre Ersparnisse gebracht hat.

Ein Image, das nicht mehr zu retten ist?

Viele Argumente, die vor allem kryptoskeptische deutsche Journalisten äußern, halten einer näheren Betrachtung nicht stand.

So ist es zwar richtig, dass Kryptos der Terrorfinanzierung dienen, von kriminellen Gruppen missbraucht oder in spektakulären Hacks erbeutet werden, aber so einfach ist es nicht. Die gleichen Eigenschaften, die die digitalen Währungen für Kriminelle attraktiv machen, sind für zahllose Menschen im Globalen Süden überlebenswichtig. Wenn die Fiatwährungen dieser Länder von der galoppierenden Inflation aufgefressen werden, könnten Kryptos – dauerhafte Stabilität vorausgesetzt – ein wichtiger Anker werden.

Übrigens sind es meistens die gleichen Journalisten, denen die Belange der Entwicklungsländer so essenziell sind, die gerne diese Effekte der Digitalwährungen übersehen. Auch den Vorwurf der Energieverschwendung muss man deutlich differenzierter sehen, als das Thema in den Medien dargestellt wird. Was die Betrugsfälle des vergangenen Jahres angeht, so ist auch dieses Phänomen nicht Krypto-exklusiv. Es hat immer Betrüger gegeben, die die Gutgläubigkeit oder auch Gier der Anleger ausgenutzt haben. So beläuft sich der Schaden, den Bernie Madoff mit seinem Schneeballsystem verursacht hat, auf stattliche 65 Milliarden USD.

Fazit: Es bleibt schwierig

Die überwältigende Mehrheit der bundesdeutschen Journalisten, primär die Redakteure reichweitenstarker Medien, stehen den digitalen Währungen misstrauisch bis ablehnend gegenüber. Teilweise lassen sich starke Vorurteile feststellen.

Diese Ressentiments haben allerdings zahlreiche deutsche Unternehmen nicht: So äußern sich 45 Prozent aller deutschen Unternehmensvertreter positiv, was die Frage nach Kryptowährungen als langfristige Geldanlage angeht. Zu dieser Erkenntnis kommt die Seite Block-Bilders.de in einer Umfrage aus dem Oktober 2023.

Die zugrundeliegende Technologie der Blockchain wird derzeit sogar von über der Hälfte der weltweit größten Konzerne adaptiert. Ferrari ist ebenfalls im Oktober 2023 vorgeprescht und hat angekündigt, demnächst in zahlreichen Ländern der Welt Kryptos als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Eine Entscheidung, der viele Unternehmen folgen werden, Image hin oder her.